Flexible Materialien

im 3D-Druck

Flexible Materialien

im 3D-Druck

Leitfaden zum Umgang mit flexiblen Materialien im 3D-Druck

Flexible Materialien gehören heute zu den spannendsten Möglichkeiten im 3D-Druck. Sie machen Anwendungen möglich, die Beweglichkeit, Dämpfung oder Anpassungsfähigkeit verlangen. Ob in Schuhen, medizinischen Geräten, Dichtungen, flexiblen Verbindungen oder tragbaren Produkten – überall dort, wo Weichheit und Elastizität gefragt sind, spielen sie ihre Stärken aus.

Gleichzeitig bringen diese Materialien ihre Tücken mit sich: Die Druckbarkeit, die Nachbearbeitung und die Haltbarkeit können die Arbeit schnell anspruchsvoller machen, als man denkt. Genau hier setzt dieser Leitfaden an. Er zeigt Ihnen, wie Sie flexible Materialien richtig verstehen, auswählen und verarbeiten – damit Sie das perfekte Gleichgewicht zwischen Elastizität und mechanischer Stärke für Ihre Anwendung finden.

Flexibilität im 3D-Druck verstehen

Um mit flexiblen Materialien im 3D-Druck erfolgreich zu arbeiten, ist es entscheidend, ihre wichtigsten mechanischen Eigenschaften zu kennen: Dehnung, Weiterreissfestigkeit, E-Modulus und Zugfestigkeit.

  • Dehnung beschreibt, wie weit sich ein Material ausdehnen kann, bevor es reisst – meist angegeben als Prozentsatz seiner ursprünglichen Länge. Je höher die Dehnung, desto flexibler das Material.
     
  • Weiterreissfestigkeit (Tear Strength) zeigt, wie gut ein Material der Ausbreitung eines Risses widersteht, sobald dieser einmal entstanden ist. Besonders wichtig für Teile, die häufig gebogen oder belastet werden.
  • E-Modulus (Steifigkeit) definiert, wie stark sich ein Material gegen Verformung unter Krafteinwirkung wehrt. Ein niedrigerer E-Modulus bedeutet ein weicheres, geschmeidigeres Material.
     
  • Zugfestigkeit ist die maximale Kraft, die ein Material beim Dehnen aushält, bevor es bricht – ein Schlüsselwert für die strukturelle Stabilität.

Diese Eigenschaften stehen oft in Wechselwirkung zueinander. Ein Material mit sehr hoher Dehnung weist in der Regel eine geringere Weiterreissfestigkeit auf, während Materialien mit hoher Reissfestigkeit meist weniger dehnbar sind. Das richtige Gleichgewicht zwischen Elastizität und Haltbarkeit zu finden, ist der Schlüssel zu zuverlässigen, leistungsstarken Druckteilen, die genau für ihre jeweilige Funktion geeignet sind.

Wichtige Materialfamilien für Flexibilität

Eine Vielzahl von Materialfamilien bringt im 3D-Druck flexible Eigenschaften mit – jede mit ihrem eigenen Leistungsprofil, abgestimmt auf unterschiedliche Anforderungen. Hier ein Überblick über die wichtigsten Familien und ihre herausragenden Produkte:

  • Polyesteracrylate: Bekannt für ihre Weichheit und Dehnbarkeit. GENOMER* 3135 ist ein geeignetes Beispiel: angenehm weich im Gefühl, mit einem Anteil an nachwachsenden Rohstoffen – und damit die nachhaltigere Wahl. Es bietet eine der besten Kombinationen aus hoher Dehnung (bis zu 250 %) und Weiterreissfestigkeit. Ideal für Anwendungen, bei denen Flexibilität und Robustheit gleichermassen entscheidend sind.
     
  • Urethanacrylate und Methacrylate: Diese Familie glänzt durch die Kombination von Zähigkeit und Elastizität. GENOMER* 4267 erreicht eine ausgewogene Dehnung (46 %) und gleichzeitig hohe Weiterreissfestigkeit. Perfekt für Teile, die strapazierfähig sein müssen und trotzdem eine gewisse Flexibilität erlauben.
     
  • Acrylierte Oligoamine: Sie dienen als Leistungsbooster in Formulierungen. Schon in geringen Konzentrationen verbessert GENOMER* 5695 Druckgeschwindigkeit, Elastizität und Aushärtungstiefe spürbar. Häufig eingesetzt als Additiv, um die Gesamtperformance von flexiblen Harzen deutlich zu steigern.
     
  • Spezialharze: Manche Spezialharze bringen gezielte Verbesserungen für besondere Anforderungen. GENOMER* 7302 wird beispielsweise in niedrigen Dosierungen eingesetzt, um die Oberflächenhärtung elastomerer Materialien zu optimieren – das steigert die Endqualität und sorgt für eine gleichmässigere Oberfläche, ohne dabei die Flexibilität zu beeinträchtigen.

Flexibility_RadLab.jpgDemonstration aus unserem RadLab

 

Diese Materialfamilien und ihre jeweiligen Harze bilden ein starkes Fundament, um Flexibilität im 3D-Druck gezielt auf die gewünschte Anwendung und das geforderte mechanische Profil abzustimmen.

Elastische vs. zähe Formulierungen: Ein Vergleich

Flexible 3D-Druckmaterialien lassen sich so abstimmen, dass sie entweder die Elastizität oder die Zähigkeit in den Vordergrund stellen – je nach Anforderungen der späteren Anwendung. Ein Blick auf zwei typische Rezepturen:

  • Elastische Formulierung: Eine Mischung aus 93 % GENOMER* 3135, 5 % GENOMER* 5695 und einem Photoinitiator erreicht eine gute Dehnung (75 %) und eine zuverlässige Druckbarkeit. Diese Kombination setzt auf Weichheit und Dehnbarkeit – ideal für Anwendungen wie weiche Komponenten oder flexible Dichtungen, bei denen hohe Flexibilität, Komfort und Oberflächenanpassung entscheidend sind.
  • Zähe Formulierung: Für Anwendungen, die mehr Steifigkeit und Stärke verlangen, bietet sich eine Rezeptur auf Basis von GENOMER* 4212 in Kombination mit ACMO an. Sie erreicht eine geringere Dehnung, dafür aber sehr hohe Schlagzähigkeit, Tensile Modulus und Zugfestigkeit. Perfekt für Teile, die mechanischer Belastung standhalten müssen und dennoch ein gewisses Mass an Flexibilität behalten sollen – etwa PP-ähnliche Bauteile oder robuste Wearables.

Durch das Anpassen von Grundharzen und Additiven können Anwender Rezepturen feinjustieren, um die gewünschte Performance zu erreichen – egal ob der Fokus stärker auf Weichheit und Dehnbarkeit oder auf Robustheit und struktureller Stabilität liegt.

Performance-Trade-offs und Anwendungsmapping

Bei der Auswahl flexibler Materialien für den 3D-Druck gilt es zu beachten: Eine Verbesserung in einem Bereich geht oft zulasten eines anderen. Höhere Dehnung – also eine stärkere Streckbarkeit – führt in der Regel zu geringerer Steifigkeit und einem niedrigeren E-Modulus. Das bedeutet, das Material verformt sich unter Last leichter. Ähnlich verhält es sich mit dem Verhältnis zwischen Dehnung und Weiterreissfestigkeit: Je dehnbarer ein Material, desto anfälliger ist es meist für Risse.

Darum muss die Materialwahl eng an die Anforderungen der jeweiligen Anwendung gekoppelt sein. Beispiele verdeutlichen, wie verschiedene Formulierungen für spezifische Einsatzfälle optimiert sind:

Hohe Dehnung, geringe Reissfestigkeit

  • GENOMER* 1122 Ideal für dehnbare Teile, bei denen maximale Flexibilität wichtiger ist als Reissfestigkeit.
  • GENOMER* 4269/M22 Bietet ebenfalls hohe Dehnung bei geringerer Reissfestigkeit – perfekt für weiche, dehnbare Anwendungen.

Balanced properties:Ausgewogene Eigenschaften

  • GENOMER* 4277 Gute Balance zwischen Zugfestigkeit und Dehnung, kombiniert mit geringer Wasseraufnahme. Optimal für langlebige Teile, die unterschiedlichen Umgebungen standhalten müssen.
  • GENOMER* 4267 Bietet ein ausgewogenes Profil aus Flexibilität und Stärke – bestens geeignet für Dichtungen oder Komponenten mit moderater mechanischer Belastung.

Wer diese Trade-offs versteht, kann Materialien gezielt auswählen – und so sicherstellen, dass gedruckte Teile in ihrer jeweiligen Rolle optimal performen.

Praktische Tipps für den Druck mit flexiblen Materialien

Um mit flexiblen Materialien erfolgreich zu drucken, braucht es durchdachtes Design, optimierte Druckeinstellungen und ein Bewusstsein für typische Stolperfallen. Die folgenden Hinweise helfen, sowohl die Druckqualität als auch die Funktionalität spürbar zu verbessern.

Design-Richtlinien

  • Wandstärke: Verwenden Sie dickere Wände (typischerweise ≥ 1,5 mm) für mehr Stabilität. Achten Sie jedoch darauf, die Geometrien nicht zu starr zu gestalten, damit die Flexibilität erhalten bleibt.

  • Stützstrukturen: Setzen Sie auf minimale, leicht entfernbare Supports. Da flexible Materialien beim Entfernen leicht verformen, sollten Kontaktpunkte möglichst reduziert werden.
  • Infill-Strategien: Nutzen Sie niedrige bis mittlere Füllgrade (ca. 20–40 %) mit flexiblen Mustern wie Gyroid oder Wabenstruktur. So bleibt die Elastizität erhalten, ohne auf Festigkeit verzichten zu müssen.
     

Druckeinstellungen und Nachhärtung

  • Druckgeschwindigkeit: Reduzieren Sie die Geschwindigkeit für höhere Präzision und um Stringing oder Verzug zu vermeiden – Werte zwischen 15–30 mm/s sind oft ideal.
  • Schichthöhe: Feinere Layer (rund 50–100 Mikrometer) sorgen für bessere Oberflächenqualität, besonders bei filigranen Details.
  • Nachhärtung: Achten Sie auf eine vollständige Aushärtung mit der richtigen Wellenlänge und Belichtungszeit. Unterhärtung führt zu klebrigen Oberflächen und geringerer Haltbarkeit; Überhärtung macht Teile spröde. Nutzen Sie die empfohlenen UV-Lichtquellen und drehen Sie die Bauteile, damit alle Seiten gleichmässig belichtet werden.

Häufige Probleme und wie man sie vermeidet

  • Stringing: Flexible Harze neigen zu Fädenbildung zwischen Druckbahnen. Reduzieren Sie dies durch optimierte Retract-Einstellungen und – falls anwendbar – niedrigere Temperaturen.
  • Unterhärtung: Teile fühlen sich klebrig an oder sind mechanisch schwach, wenn sie nicht vollständig ausgehärtet sind. Erhöhen Sie die UV-Belichtung oder nutzen Sie Additive, die die Aushärtungstiefe verbessern.
  • Verzug oder Curling: Vermeiden Sie scharfe Kanten und abrupte Übergänge in der Geometrie, die Spannungen erzeugen. Sorgen Sie für gleichmässige Betttemperatur und konstante Umgebungsbedingungen während des Drucks.

Wer diese Best Practices beachtet, reduziert Druckfehler und erhält flexible Bauteile, die sowohl optisch als auch mechanisch überzeugen.

Anwendungen in der Industrie

Medtech und Dental

Im medtech Bereich und in der Zahnmedizin müssen Materialien besonders strenge Anforderungen erfüllen – von Biokompatibilität bis hin zu hoher Biegefestigkeit, insbesondere bei Geräten, die länger mit dem Körper in Kontakt stehen. Flexible Komponenten müssen sich oft an weiches Gewebe anpassen, Belastungen abfedern und hautverträglich bleiben. Harze wie GENOMER* 1280M, GENOMER* 4256, und GENOMER* 4270 bieten hohe Dehnung und geringe Reizwirkung – ideal für Anwendungen wie individuell angepasste Zahnschienen, Weichgewebe-Simulatoren oder tragbare Geräte mit Hautkontakt.

Schuhe und Fashion

Auch in der Schuh- und Modeindustrie sind weiche, passgenaue Materialien von grossem Vorteil. GENOMER* 3135 wird aufgrund seiner hohen Dehnung und weichen Haptik häufig in Mischungen verwendet, um Komponenten und Accessoires herzustellen, die sich optimal an Körperbewegung und -form anpassen. Im Vergleich zu herkömmlichen TPU- oder PEBA-Materialien bieten Mischungen mit GENOMER* 3135 vergleichbaren Komfort und Flexibilität – zusätzlich mit dem Plus einer feineren Individualisierung und einem geringeren ökologischen Fussabdruck dank bio-basierter Anteile.

Industrie und Mechanik

In industriellen und mechanischen Anwendungen muss Flexibilität oft mit Haltbarkeit, chemischer Beständigkeit und mechanischer Stärke kombiniert werden. Für Snap-Fits und flexible Verbindungen eignen sich Materialien wie GENOMER* 4212 und GENOMER* 1280M als hochwirksame Flexibilisatoren. Sie bieten gute Rückpralleigenschaften, niedrige Viskosität und minimales Vergilben – entscheidend für die optische und funktionale Langlebigkeit. Zudem lassen sich mit diesen Harzen massgeschneiderte Dichtungen und Schwingungsdämpfer entwickeln, die auch unter anspruchsvollen Bedingungen zuverlässig arbeiten.

Diese vielfältigen Einsatzgebiete verdeutlichen, wie vielseitig flexible Materialien sind – und wie wichtig sie dabei helfen, reale Herausforderungen in unterschiedlichsten Branchen zu meistern.

Zukünftige Trends und Innovationen

Das Feld der flexiblen Materialien im 3D-Druck entwickelt sich stetig weiter – getrieben von Nachhaltigkeitszielen, steigenden Leistungsanforderungen und Fortschritten in der chemischen Entwicklung.

Ein zentraler Trend ist der Umstieg auf bio-basierte Oligomere wie GENOMER* 3135. Dieses Material verbindet hohe Dehnung, niedrige Viskosität und weiche Haptik mit erneuerbaren Inhaltsstoffen. Damit trägt es wachsenden ökologischen Ansprüchen Rechnung, ohne Abstriche bei der Funktionalität zu machen – ein entscheidender Vorteil sowohl für Konsumgüter als auch für industrielle Anwendungen.

Ein weiterer wichtiger Weg ist die Entwicklung von massgeschneiderten Formulierungen mit hybriden Eigenschaften – etwa die Kombination von Flexibilität mit Schlagzähigkeit oder elastomerischem Verhalten mit struktureller Stärke.

So lassen sich Materialien noch präziser auf spezifische Anwendungsfälle abstimmen, Designmöglichkeiten erweitern und der Bedarf an Mehrmaterial-Bauteilen reduzieren.

Auch Innovationen in der Photoinitiator-Chemie eröffnen neue Möglichkeiten: Sie erlauben eine tiefere und gleichmässigere Aushärtung, wodurch sowohl Elastizität als auch Haltbarkeit verbessert werden. Selbst komplexe, dickwandige oder filigrane Geometrien härten dadurch zuverlässig durch – und bieten konsistente, belastbare mechanische Eigenschaften im gesamten Bauteil.

All diese Entwicklungen zeigen: Die Zukunft flexibler 3D-Druckmaterialien wird nachhaltiger, anpassbarer und leistungsoptimierter sein als je zuvor.

Fazit

Flexible Materialien eröffnen im 3D-Druck enorme Möglichkeiten – sie verlangen jedoch eine bewusste Auseinandersetzung mit mechanischen Eigenschaften wie Dehnung, Weiterreissfestigkeit, E-Modulus und Zugfestigkeit. Jede Anwendung erfordert ein anderes Gleichgewicht dieser Faktoren.

Die Wahl der richtigen Materialfamilie und Formulierung – sei es für Elastizität, Zähigkeit oder Langlebigkeit – ist der Schlüssel. Wer Performance-Kennzahlen gezielt mit den Anforderungen der Endanwendung in Einklang bringt, stellt sicher, dass gedruckte Teile sowohl funktional als auch produktionstechnisch überzeugen.

Ihr persönlicher Kontakt

Roger Küng

Roger Küng

Head of Operations EnergyCuring

RAHN AG